Der Kampf um Champagner, Cognac und Wein im besetzten Frankreich
Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte Frankreich nicht nur mit Waffen gegen die deutsche Besatzung, sondern auch um seine kulinarischen Schätze. Besonders Champagner, Wein und Cognac – Symbole französischer Kultur und Prestige – gerieten ins Visier der Nazis. Die Wehrmacht und die Nazi-Führung betrachteten diese edlen Tropfen als wertvolle Beute und versuchten systematisch, die besten Bestände nach Deutschland zu schaffen. Doch Winzer*innen, Händler*innen und Widerstandskämpfer*innen fanden clevere Wege, um ihre Schätze zu schützen.
Der Durst der Wehrmacht und der Nazi-Elite
Als die Wehrmacht 1940 Frankreich besetzte, hatte sie klare Anweisungen: Neben Kunstwerken, Rohstoffen und industriellen Gütern sollten auch die besten Weine und Spirituosen für Deutschland gesichert werden. Hermann Göring leitete persönlich die Plünderungen von Luxusgütern, darunter auch Unmengen an Champagner und Cognac.
Besonders betroffen waren die bedeutendsten Weinregionen Frankreichs:
- Champagne – Die Heimat des berühmten Schaumweins
- Bordeaux – Produzent einiger der weltweit renommiertesten Rotweine
- Burgund – Lieferant feiner Pinot Noir und Chardonnay
- Cognac – Herkunftsregion des begehrten französischen Weinbrands
Schon kurz nach der Besetzung setzten die Nazis Kommissare ein, um die Kontrolle über die Weinproduktion zu übernehmen. Otto Klaebisch, ein deutscher Weinhändler, wurde zum "Weinführer" Frankreichs ernannt und überwachte die Beschlagnahmung der besten Bestände.
Plünderung im großen Stil
Die Nazis gingen systematisch vor:
- Beschlagnahmung von Weingütern – Viele Betriebe wurden unter Zwang in deutsche Hände überführt.
- Direkte Lieferungen an Deutschland – Deutsche Offiziere ordneten an, dass Millionen von Flaschen nach Deutschland transportiert wurden.
- Zwangsverkäufe und Preisdruck – Französische Winzer wurden gezwungen, ihre Weine zu Spottpreisen an die Besatzer zu verkaufen.
Allein aus der Champagne wurden zwischen 1940 und 1944 etwa 80% der Produktion von den Deutschen beansprucht – das entspricht mehreren hundert Millionen Flaschen. Bordeaux und Burgund erlitten ähnliche Verluste.
Französischer Widerstand: Winzer*innen gegen die Nazis
Doch die Franzosen kämpften auf kreative Weise gegen den Diebstahl ihres nationalen Erbes. Winzer*innen und Kellermeister entwickelten raffinierte Methoden, um ihre wertvollen Bestände zu schützen:
- Verstecken der besten Jahrgänge – Viele Weingüter verbargen ihre besten Flaschen in geheimen Kellern oder hinter falschen Wänden.
- Sabotage durch falsche Etiketten – Manche Winzer etikettierten minderwertige Weine als Spitzenweine, um die Besatzer zu täuschen.
- Bewusst schlechter Service – Deutsche Offiziere erhielten oft Weine, die mit Wasser verdünnt oder schlecht gelagert worden waren.
- Kollaboration mit der Résistance – Einige Winzer unterstützten den französischen Widerstand, indem sie Geheimverstecke für Waffen und Nachrichten in ihren Weinkellern einrichteten.
Ein berühmtes Beispiel ist Maurice Doyard, Präsident des Champagner-Winzerverbands, der aktiv am Widerstand teilnahm. In Bordeaux arbeiteten einige Winzer mit der Résistance zusammen, um Nazi-Transporte zu sabotieren.
Das Cognac-Dilemma: Täuschung und Rettung
Cognac war besonders begehrt, da er als Luxusprodukt galt. Die Nazis richteten in der Stadt Cognac eine "Sammelstelle" ein, von der aus große Mengen nach Deutschland verschickt wurden. Doch viele Produzenten, darunter große Häuser wie Hennessy, Rémy Martin und Martell, entwickelten Tricks, um den Besatzern minderwertige Ware zu liefern:
- Sie versteckten edle Brände in Fässern, die als „fehlerhaft“ deklariert wurden.
- Sie verschnitten Cognac mit neutralem Alkohol, um den Geschmack zu verwässern.
- Manche ließen Cognac absichtlich in schlechten Lagerbedingungen reifen, um ihn ungenießbar zu machen.
Ein berühmtes Beispiel ist Rémy Martin, dessen Besitzer die besten Jahrgänge tief in ihren Kellern versteckten, sodass sie nach dem Krieg noch erhalten waren.
Der Geschmack der Freiheit: Der Wiederaufbau nach 1945
Nach der Befreiung Frankreichs 1944 fanden sich viele Weingüter und Cognac-Häuser in einem katastrophalen Zustand wieder. Die Nazis hatten riesige Mengen geplündert, Weinkeller geleert und manche Betriebe finanziell ruiniert. Doch die französische Weinindustrie erholte sich erstaunlich schnell.
Die Überlebenden Flaschen wurden gefeiert – Jahrgänge aus der Vorkriegszeit wurden nach dem Krieg als „Jahrgänge der Freiheit“ vermarktet. Die USA als neuer Markt – Amerikanische Soldaten, die den französischen Wein in Europa entdeckt hatten, sorgten nach ihrer Rückkehr für eine neue Nachfrage.
Das Prestige von Bordeaux, Burgund und Champagne wurde wiederhergestellt – Viele Weingüter, darunter Château Margaux und Château Latour, erlebten ein goldenes Zeitalter nach dem Krieg.
Besonders in der Champagne wurde das Ende der Besatzung mit großem Symbolwert gefeiert: 1945 wurden Flaschen, die jahrelang versteckt gehalten wurden, endlich wieder geöffnet – als Zeichen der Freiheit und des Sieges.



